Für die Zustandserfassung und Bewertung von Straßen gibt es gesetzliche Regelungen. International wird der von der Weltbank 1986 eingeführt „International Roughness Index“ (IRI) verwendet. In Deutschland kommen zumindest auf allen Bundesfernstraßen verpflichtend die „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen in der Fassung von 2006“ (ZTV ZEB-StB 2006) zur Anwendung. Diese Bedingungen und Richtlinien kommen zunehmend auch auf Landes- und kommunaler Ebene zum Einsatz. Dennoch dominieren auf den unteren Verwaltungsebenen ganz klar kostengünstigere nicht standardisierte Verfahren wie die Sichtfahrten der Straßenmeistereien.

Die vier von Cyface verwendeten Zustandsklassen orientieren sich am IRI. Da Cyface aber in Deutschland aktiv ist, beschäftigen wir uns schon seit einiger Zeit mit der Abbildung unserer Messwerte auf die ZTV ZEB-StB 2006. Die folgenden Ausführungen basieren auf den Ergebnissen der Belegarbeit von Dirk Legler aus dem Jahr 2016.

International Roughness Index

Der IRI wurde geschaffen, um die Vergleichbarkeit von Straßenbewertungen für Projekte der Weltbank herzustellen. Er wird insbesondere in Entwicklungsländern eingesetzt und misst den Ausschlag eines Viertelfahrzeugmodells entweder in m/km oder in mm/m. Bei einem Viertelfahrzeugmodell wird ein Rad als gefedertes und mit einer weiteren Feder und einem Dämpfer verbundenes System zweier Massekörper (Rad und Fahrzeugkarosserie) abgebildet. Abbildung 1 veranschaulicht das Prinzip. Der IRI ergibt sich dann als Ausschlag dieses Systems über eine Strecke von einem Meter oder einem Kilometer. Zur endgültigen Bewertung wird dieser Wert in 4 Kategorien eingeteilt. An diesen 4 Kategorien orientieren sich die vier bei Cyface verwendeten Farbwerte.

Viertelfahrzeugmodell

Abbildung 1: Viertelfahrzeugmodell

Geräte die den IRI erfassen werden in die folgenden 4 Klassen unterschieden.

  • Klasse 1, Präzisionsprofile: Die genauste Klasse `Precision Profiles` erfordert die Messung des Längsprofils entlang einer festgelegten Radspur von meist 320 m Länge mit Markierungen alle 20 m. Die Messpunkte dürfen nicht weiter als 250 mm auseinander liegen und die Genauigkeit der Höhenmessung für glatte Fahrbahnen muss 0,5 mm betragen. Unebene Oberflächen dürfen eine höhere Ungenauigkeit haben. Auf Grund des hohen Aufwands werden Verfahren der Klasse 1 hauptsächlich zur Kalibrierung für Verfahren anderer Klassen genutzt.
  • Klasse 2, Andere profilometrische Methoden: Die Klasse `Other profilometric methods` beinhaltet alle Verfahren, bei denen das Fahrbahnprofil direkt gemessen wird, die aber trotz Kalibrierung nicht die Genauigkeit von Klasse 1 erreichen.
  • Klasse 3, IRI-Abschätzung aus Korrelationsgleichungen: Die dritte Klasse `IRI estimates from correlation equations` beinhaltet alle Messverfahren, bei denen Werte erfasst werden, die mit dem IRI korrelieren. Hierzu muss eine Kalibrierung stattfinden und es müssen Korrelationsexperimente mit Messungen nach Klasse 1 oder Klasse 2 durchgeführt werden. Bei Messverfahren, die die Straßenqualität nur indirekt messen, muss das System regelmäßig neu kalibriert werden, da sich die Eigenschaften des Messfahrzeugs oft ändern können. Nur vollständig durch Korrelation kalibrierte Messverfahren können in Klasse 3 eingestuft werden.
  • Klasse 4, Subjektive Bewertungen und unkalibrierte Messungen: Klasse 4, `Subjective ratings and uncalibrated measures`, beinhaltet alle Verfahren, bei denen keine verifizierbare Verknüpfung zum IRI herstellbar ist. Dies beinhaltet auch genaue Verfahren, die nicht per Korrelation kalibriert wurden. Beispiele für diese Klasse sind subjektive Messfahrten, bei denen die Straßenqualität von Testpersonen bewertet wird, oder Begehungen und Sichtungen von Straßen. Da der IRI in Deutschland nicht verwendet wird, fallen alle deutschen Messverfahren in diese Klasse.

Da alle Verfahren, die Bewegungssensoren verwenden, das Fahrbahnprofil nur indirekt messen, können sie nicht in Klasse 1 oder 2 fallen. Klasse 3 ist also das bestmögliche Ziel aller dieser Verfahren.

IRI Daten aus den USA lassen sich über den IRI Explorer abrufen.

ZTV ZEB-StB 2006

Die Daten nach ZTV ZEB-StB enthalten für jeden Teilabschnitt eine Reihe von Messwerten. Diese teilen sich in Zustandsgrößen und Zustandswerte auf.

Zustandsgrößen sind direkt ermittelte oder aus anderen Messungen berechnete Werte, die konkret messbare Zustandswerte bzw. Eigenschaften der Straßenbeschaffenheit beschreiben. Die Kurzbezeichnung ist drei Zeichen lang.

Zustandswerte sind gemäß Schulnotensystem von 1,0 bis 5,0 eingeteilt. Diese werden zum Teil noch in Zustandsklassen aufgeteilt, die jeweils 0,5 breite Wertebereiche zusammenfassen.

Viele der Zustandsgrößen der ZTV ZEB-StB 2006 lassen sich nicht automatisch aus den Sensorwerten eines Smartphones berechnen. Der wohl relevanteste Wert ist die allgemeine Unebenheit in Längsrichtung (AUN) und ihr Zustandswert (ZWAUN).

Allgemeine Unebenheit

Die AUN gibt die spektrale Dichte der Unebenheitshöhen Φ_h_0) in cm³ in einem Wertebereich von 0 bis 300 an. Sie basiert auf Befahrungen mit einem Messfahrzeug, welches das Längsprofil der Straße durch Höhenmesspunkte mit äquidistantem Messpunktabstand von 10 cm aufzeichnet. Die spektrale Dichte der Unebenheithöhen ist ein frequenzbasiertes Maß für die Unebenheit der Fahrbahn unabhängig von der Geschwindigkeit.

Zusammenfassung

Erste Untersuchungen von Cyface und AUN-Daten, aus Erfassungen nach ZTV ZEB-StB 2006, ergaben leider noch keine ausreichende Korrelation, um beide Messverfahren ineinander überführen zu können. Allerdings waren die verwendeten Datensätze auch sehr lückenhaft. Grundsätzlich sollte es möglich sein, die Längsunebenheit einer Straße aus dem Erschütterungsprofil zu berechnen und dadurch aus dem bei Cyface verwendeten Verfahren einen Rückschluss auf die zu erwartenden Ergebnisse nach ZTV ZEB-StB 2006 zu berechnen. Dies kann genutzt werden, um eine kontinuierliche Erfassung der Straßenzustände zu gewährleisten und die üblicherweise fünf jährige Erfassungsmaßnahme zu unterstützen.